Seit 2005 ist jährlich am 17. Mai der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und  Transphobie (IDAHOBIT), um daran zu erinnern, dass die WHO 1990 Homosexualität  von ihrer Liste der psychischen Krankheiten gestrichen hat. Ein Tag im Jahr reicht allerdings nicht aus, um die LGBT+-Community vor Diskriminierung zu schützen.  

Artikel 1 und 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution 217 A (III)  vom 10.12.1948) geben ganz klar die Freiheit und Gleichheit aller (!) Menschen vor und  erklären ein Diskriminierungsverbot. Trotzdem drohen in knapp 70 Ländern der Welt  Haft- und sogar Todesstrafen für sexuelle Minderheiten.  

Ein solches Ausmaß an Homophobie reicht weit zurück: bereits 1100 v. Chr. hatte man  die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Männern mit Kastration bestrafen können,  erstmals 550 v. Chr. wurde sogar mit der Todesstrafe gedroht. Seit der Constitutio Criminalis Carolina und bis zur Aufhebung des § 175 im Jahr 1994 wurde strafrechtlich  gegen Homosexualität in Deutschland vorgegangen (ab Ende der 60er Jahre normierte  § 175 nur noch ein Schutzalter, unter Erwachsenen war Homosexualität damit bereits  erlaubt). Mittlerweile ist Homosexualität zumindest in allen europäischen Ländern le gal. In bisher 28 Staaten weltweit gibt es die Ehe für Alle (seit 2017 in Deutschland, die  Niederlande war 2001 das erste Land). Und auch allgemein wird die Gesellschaft da hingehend immer offener. Das ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass sexuelle  Minderheiten tatsächlich gleichgestellt sind. Erst seit 2020 sind Konversionstherapien  zur „Heilung“ von Homosexualität verboten. Bis Juli 2000 durften Homosexuelle z.B. bei  der Bundeswehr diskriminiert werden durch Degradierung, Entlassung oder indem sie  keine verantwortungsvollen Aufgaben mehr erhielten. Verheiratete lesbische Mütter  werden nicht automatisch beide als Elternteil eingetragen. (Dazu gibt es wenigstens  mittlerweile eine Bundestagsinitiative.) Bis 2017 durften gleichgeschlechtliche Paare  keine Kinder adoptieren. Homo- und bisexuelle Männer dürfen nicht Blutspenden, außer sie verzichten selbst in einer monogamen Beziehung ein Jahr lang auf Sex. Ca. 30%  der Homosexuellen (und mehr als 40% der Transsexuellen) wurden schon einmal in  ihrem Arbeitsleben diskriminiert, ähnlich sieht es an Schulen aus. 

Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichstellungsgesetz sorgt vielleicht auf dem  Papier für ein Diskriminierungsverbot, in der Realität sind wir jedoch noch davon entfernt. 2020 gab es in Deutschland 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LGBT+.  Im Oktober 2020 kam es z.B. in Dresden zu einer tödlichen Messerattacke auf ein homosexuelles Pärchen. Die Dunkelziffer von Straftaten mit homophoben Beweggrund  dürfte nach Studien aber weitaus höher liegen, zumal nur ca. 11% solcher Taten angezeigt werden. Da ist es auch kein Wunder, dass nur ca. 43% aller LGBT+ ihre Sexualität  offen ausleben. Mit diesem Problem ist Deutschland auch nicht allein, z.B. in Südafrika,  welches 1997 als erster Staat die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung  verboten hat, sind Hassmorde und „Korrekturvergewaltigungen“ keine Einzelfälle.  

Insgesamt haben es LGBT+ in Europa zunehmend leichter, es gibt aber dennoch Rückschläge. Ungarn hat 2020 z.B. die Rechte für Transsexuelle weiter eingeschränkt, indem  Vornamen und Geschlecht im standesamtlichen Personenregister nicht mehr geändert  werden dürfen. In Russland gibt es seit 2013 ein Gesetz gegen „Homo-Propaganda“: in  Anwesenheit von Minderjährigen ist das Zeigen von oder Reden über gleichgeschlechtliche Liebe verboten.  

Im europäischen Durchschnitt wurden ca. 47% aller LGBT+ innerhalb der letzten zwölf  Monate aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert oder belästigt (in Deutschland 46%). Es müsste demnach stärker etwas gegen Homophobie getan werden, um  die elementaren Menschenrechte Freiheit und Gleichberechtigung durchzusetzen.  

Chiara Dechering 

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